Eine Perle am Ostseestrand

14. Juli 2022 Reiseangebot Bereich Nord Bereich Ost Bereich Süd Bereich West

Das „Haus Seeburg“ in Grömitz ist seit 60 Jahren für die Mitglieder des Bundeswehr-Sozialwerks da

Von Helmut Michelis

Zehntausende Mitglieder des Bundeswehr-Sozialwerks (BwSW) haben hier, unmittelbar am Ostsee-Strand, Ruhe und Erholung gefunden: im „Haus Seeburg“ in Grömitz. Dieses Hotel mit 70 Betten und einer Ferienwohnung ist jetzt stolze sechs Jahrzehnte im Besitz des Bundeswehr-Sozialwerks. Das außergewöhnliche Jubiläum trifft mitten in die Hochsaison – Zeit zum Feiern bleibt daher den Geschäftsführern Christina und Georg Bahlmann und ihrem engagierten insgesamt 14-köpfigen Team nicht, obwohl der Chef eigentlich gleich mitfeiern könnte. Am 20. Mai ist Georg Bahlmann 62 Jahre alt geworden und damit exakt so alt wie das 1960 am selben Tag gegründete BwSW. Stattdessen verwöhnen sie lieber ihre Gäste: mit einer stets spürbaren Herzlichkeit und durch ein abwechslungsreiches Vier-Gänge-Buffett am Abend mit jener sprichwörtlichen Liebe, die bekanntlich „durch den Magen geht“. Dieses Persönliche macht den Charme des Hauses Seeburg aus, das eine wechselvolle Geschichte erlebt hat.  

Der Gebäudekomplex im Kreis Ostholstein ist nämlich noch deutlich älter und geht auf die couragierte Kapitänsfrau Sophie Stahl (1844 ­– 1934) zurück. Sie öffnete das verschlafene Fischerdorf für Touristen, während ihr Mann mit einem Dreimaster die Weltmeere befuhr. Bereits um die Jahrhundertwende besaß die Familie der geschäftstüchtigen Gastronomin vier Hotels im Ort, darunter das Haus Seeburg und die Strandperle. 1939 wurde daraus ein Heereserholungsheim, später ein Reservelazarett. Nach dem Krieg ab 1948 ist der Komplex einige Jahre als Kreiskinderheim mit Säuglingsabteilung, einer Unterbringung für elternlose oder vernachlässigte „Zöglinge“ und Plätzen für die Ferienerholung von Schülerinnen und Schülern genutzt worden. Doch in den 1950-er Jahren mussten die Gebäude wegen Geldmangels stillgelegt werden und drohten zu verfallen.

Das Bundeswehr-Sozialwerk wurde zum Retter. Es übernahm die Gebäude, die zunächst nur geringen Komfort boten. Sogar eine baupolizeiliche Schließung drohte vorübergehend. Vor allem der damalige Bereichsvorsitzende Dr. Diether Busse, Vizepräsident der Wehrbereichsverwaltung I in Kiel, kämpfte jedoch sehr erfolgreich um die dringend notwendigen Investitionen. „Im Zusammenspiel mit dem Bundesvorstand des Sozialwerkes, der Oberfinanzdirektion Kiel, dem Bundesfinanzministerium und dem Bundesschatzministerium gelang es, zunächst 660.000 DM aus Bundesmitteln lockerzumachen“, erinnerte sich Busse 1970 im BwSW-Mitgliedermagazin in einem Beitrag unter der Überschrift „Grömitz einst und jetzt“. Der Beamte kannte das Haus bereits seit 1945, hatte er doch als Angehöriger des Deutschen Hauptquartiers Nord in Hamburg unmittelbar nach der Kapitulation unter anderem die Aufgabe, die Reservelazarette aufzulösen und in Verhandlungen mit der neugebildeten schleswig-holsteinischen Landesregierung eine andere Nutzung zu suchen. So kam die weitläufige Anlage am Hochufer von Grömitz am 10. Juli 1962 offiziell in den Besitz des BwSW und wurde dessen erste Erholungseinrichtung, die als bundeseigenes Gebäude von Grund auf neu eingerichtet werden musste (die historische Nr. 1, das Haus Norderoog auf Noderney, konnte 1961 möbliert übernommen werden). Diether Busse: „Um in den Wintermonaten die Liegenschaft über die Runde zu bringen, führte die Wehrbereichsverwaltung I in der Seeburg und der Strandperle Ausbildungslehrgänge für Bundeswehrverwaltungsbeamte durch.“

Genau genommen ist die heutige Seeburg die frühere Strandperle: Die alte viergeschossige Seeburg wurde nämlich zwischen 1967 und 1970 abgerissen, die dreigeschossige Strandperle entsprechend renoviert und mit einem Anbau zum neuen Mittelpunkt der Anlage. In einem alten Bericht heißt es dazu: „Während der Instandsetzungsarbeiten erlebte das Landesbauamt Eutin immer wieder böse Überraschungen, weil unter dem zum Teil nur noch durch die Farbe zusammengehaltenen Baukörper neue, anfänglich nicht erkennbare Schäden zum Vorschein kamen.“

Davon merkt der heutige Gast nichts mehr, obwohl man, so die Bahlmanns, schon ständig am Ball bleiben müsse, um das Haus modern zu halten. Durch die Pandemie ist das Haus für Familien noch attraktiver geworden, sodass beispielsweise das frühere Lesezimmer in ein Spieleparadies für die Kleinen umgewandelt worden ist. Das Ehepaar hat viel Erfahrung in diesem Bereich: Es leitete vorher unter anderem ein Schullandheim auf Wangerooge sowie Jugendherbergen und Tagungshäuser im Saarland und in Rheinland-Pfalz. Den Bezug zur Bundeswehr hat Georg Bahlmann durch die Wehrpflicht: Der Obergefreite der Reserve diente als Sicherungssoldat bei der Luftwaffe in Diepholz und Delmenhorst und arbeitete zuletzt als Ordonnanz im Offizierheim, nachdem man seine „gastronomischen Qualitäten“ erkannt hatte. Der allererste Leiter war noch aus der Marine gekommen: Kapitänleutnant a.D. Konrad Bax, er verstarb 1971, führte das Haus bis 1968. Etliche BwSW-Mitglieder werden sich noch an das Ehepaar Margitta und Bodo Gnepper erinnern, denen im April 2016 die Bahlmanns folgten. Denn wer einmal im Haus Seeburg gewesen sei, der komme gern wieder. Der Anteil der langjährigen Stammgäste sei hoch, betont Christina Bahlmann. Doch durch das wegen Corona veränderte Reiseverhalten, das Deutschland wieder mehr in den Fokus gerückt habe, seien auch auffällig viele neue und junge Besucherinnen und Besucher hinzugekommen.

Der Urlaub im Haus Seeburg ist stressfrei: „Man hat alles vor der Tür, den Strand, den Wald und auch viele Läden entlang der Promenade und im Ortszentrum, und man braucht deshalb nirgendwo hinzufahren“, sagt Christina Bahlmann. „Viele Gäste lassen ihr Auto den ganzen Aufenthalt über auf unserem Parkplatz stehen.“ Wem es in dem Ostseeheilbad dennoch langweilig werden sollte, der könne in der Nähe zum Beispiel Travemünde, das Marine-Ehrenmal Laboe, das Meereszentrum Fehmarn, den Hansa-Park Sierksdorf oder die Karl-May-Festspiele in Bad Segeberg besuchen, ergänzt ihr Mann.

Auffällig ist das viele Grün in und um die großzügige Anlage des BwSW. Und nur hier merkt man dem „Jubilar“ Haus Seeburg sein Alter an: Sanft wiegen sich ringsherum eine mächtige Trauerblutbuche und haushohe Pappeln im Wind. Wer will, kann hier im Liegestuhl auf dem Rasen unter den leise rauschenden Blättern einen natürlichen Schattenplatz finden, den es so nur im Haus Seeburg gibt. Sophie Stahl, Conny Bax und Diether Busse hätten gewiss ihre große Freude daran, wie wunderschön sich „ihre“ Hotelanlage heute den Gästen präsentiert.

Apropos Jubiläen und Geburtstage: Die Neueröffnung des Hauses Seeburg im Besitz des BwSW fand 1962 genau am selben Tag statt, als der heutige Bundesgeschäftsführer, Regierungsdirektor Norbert Bahl, geboren wurde. Beide konnten also zeitgleich ihren 60. begehen. Zufälle gibt's …